Die Verkehrssicherung in Wäldern ist eine Herausforderung für jeden Waldbesitzer. Dies tritt besonders nach extremen Wetterlagen und bei Befall mit Forstschädlingen in das Bewusstsein. Der Umfang der Anforderungen und die Reichweite einer pflichtgemäßen Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers über die jährliche Regelkontrolle hinaus sind in verschiedenen Konstellationen noch nicht abschließend durch die Gerichte geklärt. Der nachfolgende Beitrag kann deshalb nur als Handlungsempfehlung dienen, ohne die Anforderungen und die Reichweite der Verkehrssicherungspflicht abschließend und allgemeingültig zu beschreiben.

Einleitung

Die Verpflichtung zur Verkehrssicherung kann, je nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere im Hinblick auf die Risiken für Schäden Dritter, erhebliche Ressourcen binden. Insbesondere nach Sturmereignissen stellt sich immer wieder die Frage, in welchem Umfang und in welchem zeitlichen Rahmen der Waldbesitzer zu entsprechenden Kontrollen und Maßnahmen verpflichtet ist, um im Schadensfall eine straf- oder zivilrechtliche Haftung zu vermeiden.

Ziel der Verkehrssicherung ist es nicht, jedes Risiko auszuschließen. Das ist weder möglich, noch rechtlich gefordert. Regelmäßig zeigt sich, dass Dritte trotz sorgfältiger Verkehrssicherungskontrollen durch herabstürzende Äste oder Bäume geschädigt oder verletzt werden. Gerade in diesen Fällen besteht bei den Geschädigten die Erwartungshaltung, dass doch ein „Schuldiger“ da sein müsse. Der Rückschluss vom Schaden auf die Ersatzpflicht des Waldbesitzers geht aber fehl. Voraussetzung für die Haftung des Waldbesitzers ist eine Pflichtverletzung, nämlich eine mangelhafte Verkehrssicherungskontrolle.

1. Verkehrssicherungszonen

Als Verkehrssicherungszonen werden nachfolgend Flächen bezeichnet, für die Verkehrssicherungspflichten bestehen, weil sich bspw. Wegeanlagen oder bauliche Anlagen in der Nähe befinden. Grundsätzlich keine Verkehrssicherungszonen sind der Wald und Offenlandflächen. Der Gesetzgeber hat hierzu in § 60 BNatSchG einen zivilrechtlichen Haftungsausschluss formuliert, wonach das Betreten der freien Landschaft oder des Waldes auf eigene Gefahr erfolgt und durch diese Betretungsbefugnis keine zusätzlichen Sorgfalts- oder Verkehrssicherungspflichten begründet werden. Es besteht nach Auffassung des Bundesgerichtshofes selbst „auf stark frequentierten Waldwegen“ keine Haftung für typische, sich „aus der Natur ergebende“ bzw. „waldtypische“ Gefahren (BGH, Urteil vom 02.10.2012, Az. VI ZR 311/11), Verkehrssicherungspflichten bestehen jedoch insbesondere dann, wenn durch Bruchholz
❚ die Sicherheit auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen im Sinne des Straßenrechts,
❚ Schienenwege und
❚ Wasserstraßen sowie
❚ Bauwerke gefährdet werden.

In ähnlicher Weise wird man eine Verkehrssicherungspflicht annehmen können, wenn durch besondere Anziehungspunkte ein Besucherverkehr eröffnet wird, der über die Nutzung des Waldes in seiner Erholungsfunktion hinausgeht (bspw. ausgewiesene Parkplätze, Freizeitanlagen und Waldspielplätze). In Bezug auf Schienenbahn- und Schiffsverkehr ist zu beachten, dass hier eine fahrlässige Missachtung der Verkehrssicherungspflicht strafbar sein kann, wenn Baum- oder Astbruch ein Hindernis entstehen lässt und dadurch Leib oder Leben eines Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden (§ 315 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 5 StGB).

Die Erfahrung lehrt, dass nicht allen Waldbesitzern immer gänzlich klar ist, für welche Bäume sie im Einzelnen verkehrssicherungspflichtig sind. Insoweit kann es geboten sein, die flurstücksbezogene Zuordnung seiner Bäume zu kennen oder bei Unklarheiten gegebenenfalls die Zuordnung zu ermitteln.

2. Verkehrssicherungsanlässe und -maßnahmen

Die aktuelle massenhafte Vermehrung von Borkenkäfern und das damit einhergehende flächenhafte Absterben von Waldflächen führen aus Sicht der Verkehrssicherheit nicht zu einer atypischen Gefährdung des Waldbesuchers. Die Pflicht der Schadensbeseitigung aus Gründen des Forstschutzes bleibt davon allerdings unberührt. Absterbende Bäume müssen jedoch an den vorbenannten Verkehrssicherungszonen zeitnah so aufbereitet werden, dass von ihnen keine Gefahr mehr ausgeht. Nach besonderen Wetterereignissen (z. B. Stürmen ab der Windstärke 10, bei starkem Eisregen oder bei sehr starkem Nassschnee- fall) kann eine gesonderte Kontrolle der Verkehrssicherungszonen erforderlich sein. Die Zone sollte regelmäßig den Abstand von mindestens einer Baumlänge zu der zu schützenden bzw. freizuhaltenden Anlage (öffentliche Straßen, Plätze, Wege, Verkehrsanlagen, bauliche Anlagen etc.) betragen. Weil sich Extremwetterereignisse lokal sehr unterschiedlich auswirken, bedarf es hier durch den Waldbesitzer einer Bewertung im Einzelfall.

Bei den entsprechenden Kontrollen ist insbesondere auf folgende Merkmale an den Baumbestandteilen (Äste, Stamm, Wurzelanlauf) zu achten: Ast- und Kronenabbrüche, Fäule, Höhlen, Pilzbefall, Rindenschäden, Risse, Schadinsekten, Schrägstand, Stammdeformationen, Wuchsanomalien, Zwiesel.

Neben diesen baumspezifischen Merkmalen sollte auch die Standsicherheit des Baumes bei einer Verkehrssicherungskontrolle beurteilt werden. Denn ein äußerlich vital erscheinender Baum kann ggf. nur ein unzureichendes Wurzelsystem besitzen und damit eine stark eingeschränkte Standsicherheit aufweisen.

In der Praxis zeigen sich drei Fallgruppen, in denen die Wurzelentwicklung bzw. der Wurzelzustand durch äußere Umstände beeinträchtigt wird:
1) ungünstige geologische Bedingungen (hoch anstehendes Grundgestein) oder Hindernisse (z. B. Mauern, Tiefzwiesel)
2) stauwasserbeeinflusste Böden
3) Vorschädigung durch Sturm, die bei nächstem Anlass einen Drittschaden verursacht.

Vor diesem Hintergrund ist allein die bloße Bewertung der Vitalität des Baumes bzw. seiner Äste nicht immer ausreichend, um seiner Verkehrssicherungspflicht Genüge getan zu haben. Auch diese Kontrollen und ggf. getroffene Feststellungen sowie die durchgeführten Sicherungsmaßnahmen sind stets zu dokumentieren.

Hinzuweisen ist in Zusammenhang mit Sturmschäden auf ein Urteil des OLG Jena, Urteil vom 24.06.2009, Az. 4 U 648/08, das sehr weitreichende Anforderungen für den Straßenbereich aufgestellt hat, die in der Praxis nur schwer bzw. kaum zu realisieren sind. Im Fall des OLG Jena
hatte ein während eines Sturms abgebrochener Ast zunächst eine Straßenlaterne stark beschädigt. Am Tag nach dem Schadereignis wurde der äußerlich vitale Baum durch einen Forstwirt und Baumpfleger von unten kontrolliert, ohne dass nachteilige Feststellungen getroffen werden konnten. Nachdem anschließend weitgehend Windstille herrschte, fiel zwei Tage später ein weiterer Ast auf das Fahrzeug der Klägerin. Nur bei Inaugenscheinnahme von oben wäre zu erkennen gewesen, dass weitere Äste durch den vorangegangenen Sturm in ihrer Festigkeit stark beeinträchtigt waren. Weil die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde die Kontrolle von oben unterlassen hatte, war sie für den Schaden am PKW der Klägerin einstandspflichtig. Diese Entscheidung belegt einmal mehr, dass die Anforderungen an die Verkehrssicherung gerade im räumlichen Umgriff von öffentlichen Verkehrswegen nicht zu unterschätzen sind, wenngleich eine Kontrolle von oben nur von den wenigsten Waldbesitzern geleistet werden kann.

Im Winter kann sich zudem ein erhöhter Kontrollaufwand ergeben, wenn Schnee am Straßenrand die vollständige Beseitigung umgestürzter Bäume, Äste oder von Kronenteilen verhindert hat. Sobald Tauwetter einsetzt, können bislang vom Schnee verdeckte Baumteilen in den Straßenraum hineinragen und erhebliche Risiken für die Verkehrsteilnehmer bergen. Daher sollten bei einsetzender Schneeschmelze Nachkontrollen und Beseitigungen erfolgen, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass Bruch aus dem Straßenrandbereich und -seitengraben nicht vollständig beseitigt sein könnte.

Ist eine kurzfristige Beseitigung der Beeinträchtigung nicht möglich, muss der Waldbesitzer ggf. anderweitig der Verkehrserwartung entsprechende Maßnahmen treffen. Das kann von einem Hinweisschild bis hin zur förmlichen Waldsperrung reichen. Wichtig ist, dass der Waldbesitzer auch seine Gefahrenabwehrmaßnahmen dokumentiert. Mitunter werden provisorische Absperrungen ignoriert oder Schilder entfernt. Hier ist im Schadensfall der Waldbesitzer beweispflichtig, dass er entsprechende Hinweise erteilt hat. Dies kann nur mit einer Dokumentation bspw. einem Foto gelingen. Das gilt aber auch für seine Bemühungen, vertraglich geeignete Unterstützung bei Forstunternehmen zu sichern. Gerade nach entsprechenden Wetterereignissen kann es regional sehr schnell zu Engpässen in der Unternehmerkapazität kommen. Hier sollte der Waldbesitzer in der Lage sein, seine Bemühungen nachzuweisen. Insgesamt ist daran zu erinnern, dass der Waldbesitzer die Verkehrssicherungskontrollen protokollieren sollte (Datum und Gebiet/Straße der Kontrolle sowie gebotene oder durchgeführte Maßnahmen), um im streitigen Schadensfall die durchgeführten Kontrollen nachweisen zu können.

Abschließend ist jedem Waldbesitzer dringend zu empfehlen, seinen Wald unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht zu betrachten und sich seiner Verantwortung bewusst zu sein. Gleichgültigkeit oder die Erwartung, es werde schon gut gehen, weil es noch immer gut gegangen ist, kann gravierende Folgen haben, wenn die persönliche Haftung des Waldbesitzers wegen einer mangelhaften oder nicht hinreichend dokumentierten Verkehrssicherungskontrolle in Rede steht.

Tobias Gockel ist Leiter des Referates Recht bei Sachsenforst